In der Praxis begegnen mir Fälle, wo Mütter und Väter ihre Kinder schlagen. Sie lieben ihre Kinder und trotzdem … sie hauen zu, wenn es ihnen zu viel wird: Auf der Arbeit, mit dem/der EhepartnerIn oder Geldsorgen … und dann noch das Kind, dass nicht begreift, dass es funktionieren muss, will es in dieser Welt bestehen.
Eltern schlagen, wenn sie nicht mehr weiterwissen. Es ist eine Strategie, die sie meist selbst erfahren und unter der sie gelitten haben. Und trotzdem setzen sie sie ein. Ich schreibe hier nicht über die Eltern, die ihre Kinder vorsätzlich quälen und misshandeln.
In Deutschland gilt seit dem Jahr 2000 das Verbot der Prügelstrafe. Im §1631 Abs. 2 BGB heißt es: „Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig.“ Missachtet man dieses Gesetz, drohen Geld- oder Freiheitsstrafen.
In anderen Ländern, darunter auch in einigen US-Bundesstaaten, ist die Prügelstrafe erlaubt und teilweise ausdrücklich erwünscht. So wird dort auch an den Schulen und anderen Institutionen geschlagen. Übrigens: In Frankreich wurde erst im November 2018 ein Gesetz gegen die Prügelstrafe erlassen.
Studien belegen, dass in Ländern mit Verbot der Prügelstrafe die Gewaltbereitschaft rückläufig ist. Aber was nutzt das dem geschlagenen Kind? Kinder erzählen in der Regel erstmal nicht, wenn sie geschlagen werden. Sie schützen instinktiv ihre Eltern, aus Liebe. Wenn der Druck zu groß ist, „verraten“ sie sich.
Körperliche Gewalt wird oft verdrängt oder bagatellisiert nach dem Motto: „Das hat noch niemanden geschadet.“ Aber Schlagen, auf dem Po oder Kopf, mit Gegenständen oder mit der Hand, wird immer Auswirkungen auf das Leben des Betroffenen haben: Z.B. Angst und Mißtrauen, eingeschränkte Lösungsstrategien bei Konflikten, mangelnder Selbstwert, Aggressionen und autoaggressives Verhalten. Wenn ich mit Kindern rede, die geschlagen werden, erlebe ich eine tiefe Verletztheit und Traurigkeit, sie rechtfertigen das Verhalten der Eltern, weil sie ja nicht „brav“ waren und fühlen sich schuldig, sie sehnen sich nach Liebe und können sich, so wie sie sind, nicht annehmen.
Ebenso hat das Schlagen immer Auswirkungen auf das Verhalten der Eltern: Hilflosigkeit, mangelnder Selbstwert, schlechtes Gewissen, Störung in der Beziehung zum Kind – dadurch wird man aggressiv, d.h. die Gewaltbereitschaft ist erhöht … und der Kreis schließt sich.
Körperliche Gewalt ist in unserer Gesellschaft noch oft anzutreffen: Prügeleiein auf dem Schulhof, bei Streit in der Kita ist Schlagen eine der verbreitetsten Strategien, Massenschlägereien bei Demos und Fußballspielen … das sind teilweise reine Gewaltorgien. Man sieht es, zuckt die Schultern und kümmert sich um seine eigenen Angelegenheiten. Schlagen ist also auch ein gesellschaftliches Problem.
Es gibt bereits einige staatlicher Förderprogramme, die auf dieses Thema abzielen. Ich denke, es muss wesentlich mehr investiert werden, um das Land zu „befrieden“ auch im Hinblick auf die vielen Menschen, die aus anderen Ländern zu uns kommen.
- Sensibilisierung der Gesellschaft: Dazu sollten Aufklärungen in Schulen und Kitas erfolgen, sowie Kampagnen über soziale Medien und TV laufen. Ein Aufschrei sollte durch das Land gehen, wenn Gewalt im Spiel ist! Eine Gesellschaft fern von Gleichgültigkeit, eine Gesellschaft mit Mitgefühl.
- Eltern stärken, Familien entlasten. Nicht verurteilen, sondern aufklären und unterstützen. Eltern mit Halt.
- Kinder schützen bzw. ihnen Schutzraum bieten. Kindern Lösungsstrategien anbieten. Kinder lieben.
Schlagen ist keine Lösung, manchen mag es als Ventil dienen, zurück bleibt ein schales Gefühl: Das war unrecht. Was tun wir, wenn wir uns eingeengt fühlen, von allem verlassen, hilflos, traurig, müde, ausgelaugt, voller Wut?
Strategien für schwierige Situationen sind: Nachdenken, reden, zuhören, Vereinbarungen aushandeln, Genugtuung fordern, sich Zeit nehmen, Ruhe suchen. Das Wichtigste aber ist, dass Kinder (und überhaupt: alle Menschen!) die Macht über sich selbst zurückholen. Das beinhaltet, dass wir uns bewusst werden, dass wir ganz gemeint sind und dass wir die innere Freiheit haben, unser Leben nach dem auszurichten, was wir sind. In der Traumapädagogik nennt man das Selbstbemächtigung.
siehe: https://monika-rauch.com/methoden/