Nebeltag im Januar

Der Januar ist noch ein Monat der Kälte und des Rückzugs. Selten war ich so müde, wie in diesem Jahr. Ob das an der Pandemie liegt? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass dieser Winter energieraubend war/ist. Nicht, dass ich unzufrieden wäre – ich bin mit mir im Reinen. Aber ich bin/war schlapp und energielos.

In den letzten Tagen wirkte vieles irgendwie gedämpft, eingehüllt, leiser, runtergefahren – „draußen“ in der Natur und „drinnen“ in uns. Das ist ein natürlicher Rhythmus, der hilft auszuruhen und zu regenerieren.

Seit einiger Zeit war ich endlich mal für länger in Rodheim bei meiner Mutter und ihrem Hund Rusty. Um sie zu entlasten, ging ich gleich dreimal am Tag Gassi.

Feuchte, kalte Luft einatmen, laufen und dabei den weichen Boden unter den Füßen spüren Meine Energie, die ich seit einiger Zeit verloren glaubte, war wieder da.

Der Winter trägt bereits den Frühling in sich, trotz Kälte und Nebel. Als ich mich überwand, rauszugehen, wurde ich zusehends vitaler. Ich wurde mit Energie beschenkt. Das nennt man Erdung. Diese Energie ist übrigens für jeden da.

Selbstbemächtigung = Energie aus der Natur schöpfen

Nebeltag

Es kostet schon etwas Überwindung, rauszugehen in den wabernden, kalten Nebel. Aber Hundi will raus und ich eigentlich auch.

Boden und Luft sind gesättigt. Jeder Schritt geht tief, feuchte Luft durchdringt meine Kleidung und erfrischt meine Lunge.

Wenn ich dann unterwegs bin, beruhigt mich die Natur. Sie hüllt mich ein und führt mich auf mich zurück. Der Hund schnüffelt und ich atme tief und beobachte die vielen Einzelheiten, die sich mir offenbaren. Es ist kalt, keine Sonne in Sicht. Und trotzdem, es ist gut, wie es ist. Ich lasse die Bilder auf mich wirken, die verblassenden Farben, das Verwelken und letztendlich das Sterben. Es fühlt sich richtig an, denn ich weiß ja, dass das Sterben auf zukünftiges Leben weist.

Im trüben Licht, an kahlen Zweigen, offenbaren sich bisher unentdeckte Schönheiten.

Ich lasse sogar die Kräuter stehen, denn die haben sich in sich zurückgezogen. Die meiste Kraft steckt jetzt in den Wurzeln. Wenn man das als Metapher nimmt, steckt da auch ganz viel Wahrheit für uns Menschen drin: Wenn wir als natürliche Wesen den Rückzug (und sogar das Sterben) akzeptieren, dann können wir im Frühjahr mit Kraft, die aus unseren Wurzeln kommt, neu starten.

Gedimmte Farben: gelb – grün – rot – braun

Ja, im Winter, ab November, sterben die mehr Menschen als zu anderen Jahreszeiten. In dieser Zeit schließt sich der Jahreskreis und wahrscheinlich kann man da am besten loslassen, wenn es denn Zeit ist, zu gehen.

Liegengeblieben unter den Bäumen. Nein, keine Verschwendung, sondern Nahrung für viele Tiere, Vögel und Insekten. Auch ein Kreislauf.

Im November wird in den christlichen Kirchen der Verstorbenen gedacht im Hinblick auf die Auferstehung. Hier, in unserem Kulturkreis, begeht man die Feste Allerseelen und Ewigkeitssonntag (Totensonntag). Bald darauf folgen die Advents- und die Weihnachtstage. Die Lichter erhellen die Dunkelheit.

Ein Nebeltag im November zeigt uns tatsächlich das Leben im Sterben. Licht dringt immer in die Dunkelheit – eine schöne Verheißung! Eine Tatsache, die wir religiös, spirituell oder naturwissenschaftlich betrachten können. Wir können uns dem hingeben und müssen nicht dagegen ankämpfen. Wie tröstlich!

Selbstbemächtigung = den Nebel als Freund annehmen.